„Regionale Marktstrukturen sind krisenfest und nachhaltig“
Regionalität bedeutet für Priska Hinz Qualität und Transparenz. Mit zahlreichen Förderprojekten will die hessische Landwirtschaftsministerin die ländlichen Regionen stärken und zukunftsfähig machen. Im Interview mit Echt hessisch! spricht die Ministerin über geeignete Maßnahmen wie das Dorfentwicklungsprogramm und die Landtourismusstrategie, gibt einen Einblick in die finanziellen Fördermittel und zeigt die Herausforderungen für die Landwirtschaft in Corona-Zeiten und hinsichtlich des Klimawandels auf.
Was bedeutet für Sie Regionalität?
Priska Hinz (PH): Regionalität ist für mich ein Gütesiegel. Zum einen bedeutet es für mich gute und vertraute Produkte aus Hessen zu genießen und dabei eine persönliche Verbindung zu den Landwirtinnen und Landwirten vor Ort aufzubauen. Zum anderen bedeutet es Transparenz. Ich weiß, wo die Produkte, die ich kaufe, herkommen und wie Anbau, Verarbeitung sowie Transport von Obst und Gemüse oder auch die Aufzucht von Schweinen und Hühnern geregelt sind.
Die Corona-Krise hat deutlich gezeigt, wie zerbrechlich die Weltwirtschaft ist und wie wichtig die regionale Versorgung ist. Wie wollen Sie die ländlichen Regionen stärken?
PH: Ich habe meine diesjährige Sommertour genutzt, um durch die ländlichen Regionen in Hessen zu reisen. Bei den verschiedenen Stationen habe ich einige tolle Projekte kennengelernt, die zur Stärkung der ländlichen Räume bereits umgesetzt werden. Mit dem Dorfentwicklungsprogramm fördern wir zum Beispiel Projekte zur Gestaltung der Ortskerne mit Dorfläden und Treffpunkten, den Erhalt historischer Bausubstanz und starke Vereine sowie soziale und kulturelle Angebote. Zu einem lebendigen Dorfkern gehören neben Läden des täglichen Bedarfs auch Gaststätten und Hotels. Deswegen haben wir in diesem Jahr die Landtourismusstrategie aufgestellt, mit der wir den Tourismus strategisch weiterentwickeln wollen. Gerade die Corona-Krise hat einige kleine Betriebe in große Nöte gebracht. Deshalb stellen wir im Sondervermögen insgesamt 6 Millionen zur Unterstützung von Gaststätten zur Verfügung. Zum einen werden damit kleinere Investitionen unterstützt: Gaststätten können einen Festbetrag von 1.500 Euro beantragen, wenn sie beispielsweise einen neuen Kühlschrank anschaffen müssen. Außerdem sind 2,5 Millionen Euro vorgesehen, um die Gaststätten digital fit zu machen. Das betrifft sowohl interne Abläufe wie beispielsweise moderne Kassensysteme als auch die eigentliche Internetpräsenz und den Auftritt in sozialen Netzwerken. Auch darüber lassen sich Abläufe vereinfachen und Kosten sparen, etwa durch ein gutes Online-Buchungssystem. Hier haben viele Betriebe Nachholbedarf, denn im Alltag geraten diese Themen häufig in den Hintergrund. Deshalb wollen wir vor Ort gehen und gezielt beraten und Förder- und Umsetzungsmöglichkeiten aufzeigen. Selbstverständlich geschieht dies alles in enger Abstimmung mit dem DEHOGA, der uns mit seiner Fachkompetenz bei der Konzepterarbeitung unterstützt. Das alles stärkt den Tourismus und damit die ganze Region.
Wie wollen Sie speziell die Landwirtschaft in den Regionen unterstützen?
PH: Die Förderung von regionalen Verarbeitungs- und Vermarktungsmöglichkeiten gehört zu einem Schwerpunkt unserer Arbeit. Es hat sich gezeigt, dass regionale Marktstrukturen krisenfest und nachhaltig sind. Im Rahmen der Marktstrukturförderung konnten wir zwischen 2016 und 2020 bereits 32 Investitionsvorhaben unterstützen: Schlachtstätten, eine neue Molkerei und Käsereien. Dafür haben wir im Jahr 2020 allein 17 Mio. Euro zur Verfügung. Aber auch neue Möglichkeiten, wie mobile Schlachtungen oder Food-Hubs, unterstützen konkret landwirtschaftliche Betriebe.
Die Nachfrage nach Erzeugnissen aus der Region ist gerade in diesen Zeiten bei der Bevölkerung stark gestiegen. Wie kann die Landesregierung diesen positiven Trend unterstützen?
PH: Wir wollen den Verbraucherinnen und Verbrauchern zeigen, dass Hessen bereits viel zu bieten hat, wenn es um Erzeugnisse aus der Region geht. Deswegen hat Hessen das Bio-Siegel eingeführt. Das Siegel zeichnet biologische Produkte aus Hessen aus, die eine gesicherte Qualität vorweisen. Damit können die Kundinnen und Kunden transparent nachvollziehen, woher die Produkte kommen. Außerdem schaffen wir einen Anreiz für weitere Unternehmen, regionale Produkte anzubieten.
„Die Landwirtschaft soll nachhaltiger werden“, steht auf Ihrer Homepage. Was meinen Sie konkret damit?
PH: Nachhaltig bedeutet zukunftsfähig. Wir wollen die Landwirtschaft so gestalten, dass die Betriebe auch in den kommenden Jahren gut wirtschaften können. Hessens Ziel ist es, das ganze Land zu einer Modellregion für nachhaltige Landwirtschaft mit Vorbildfunktion für Deutschland weiterzuentwickeln: Im Jahr 2025 sollen in Hessen 25 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche ökologisch bewirtschaftet werden. Denn der Ökolandbau hilft, dem fortschreitenden Klimawandel entgegenzuwirken, die Biologische Vielfalt in unserem Land zu erhalten und Gewässer und Böden zu schützen. Indem wir eine nachhaltigere Landwirtschaft fördern, schützen wir nicht nur die Umwelt und das Klima, sondern wir bieten auch vielen Landwirtinnen und Landwirten eine langfristige Perspektive. Darüber hinaus soll die gesamte Landwirtschaft nachhaltiger werden im Ackerbau, in der Tierhaltung in der Verarbeitung und Vermarktung. Deshalb ist der Ökoaktionsplan auch auf den Ökolandbau und die konventionelle Landwirtschaft ausgerichtet.
Welches ist Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung für die Landwirtschaft in diesen Zeiten?
a. Hinsichtlich der Corona-Krise
PH: Bereits zu Beginn der Corona-Pandemie wurde deutlich, dass die Landwirtschaft auf Erntehelferinnen und Erntehelfer aus dem Ausland angewiesen ist. Dieser Herausforderung konnten im Frühjahr auch dank der Unterstützung von freiwilligen Helferinnen und Helfern und neuen Plattformen wie beispielsweise „Bauer sucht Hilfe“ bewältigt werden. Es hat sich allerdings gezeigt, wie wichtig eine regionale Versorgung und vor allem auch Verarbeitungs- und Vermarktungsstruktur vorhanden ist. Hier sind wir auf dem richtigen Weg mit unseren Förderprogrammen in Hessen.
b. Hinsichtlich des Klimawandels
PH: Die letzten Jahre haben gezeigt, dass sich der Klimawandel insbesondere in Extremwetterereignissen zeigt. Trockenperioden und Starkregen stellen die Landwirtschaft vor große Herausforderungen. Die Weiterentwicklung der nachhaltigen und ökologischen Landwirtschaft ist ein wichtiger Faktor, um diesen Entwicklungen entgegenzutreten. Klimafreundlicher Ackerbau ist eine Möglichkeit, um in Zukunft eine Bewirtschaftung der Felder sicher zu stellen, aber auch die anderen Produktionszweige der Landwirtschaft müssen klimaangepasst werden. Darin werden wir sie in den nächsten Jahren unterstützen
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das?
PH: Ich würde mir wünschen, dass sich Jede und Jeder bewusst darüber wird, dass wir gemeinsam noch etwas bewirken können, um die Klimakrise zu stoppen. Ich würde mir wünschen, dass alle ihr eigenes Handeln reflektieren und sich bewusst für den Natur- und Umweltschutz einsetzen.